Eine Armlänge Abstand – Humbug oder Ratschlag?

Seit den Ereignissen in der Silvesternacht ist die Nachfrage an Selbstverteidigungskursen für Frauen rasant gestiegen. Die Unsicherheit unter Frauen, aber auch unter Männern, ist gewachsen. Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit zieht vor allem Frauen in Selbstverteidigungskurse. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker riet der Damenwelt „eine Armlänge Abstand“ zu halten. Diese Aussage wurde anschließend in den Medien „zerrissen“. Aber was ist dran an „einer Armlänge Abstand halten“? Ist es tatsächlich fahrlässiger Quatsch oder doch ein guter Ratschlag?

Frauen wollen Selbstverteidigung lernen

Die beiden Geschäftspartner und Kampfkunstexperten Boy Möller und Timo Herzberg griffen dieses Thema in ihren Selbstverteidigungsseminaren für Frauen auf. Mittlerweile erreichten sie knapp 200 Frauen mit den SV-Workshops. Die Frauen nahmen das Angebot dankend an und besuchten die Seminare im norddeutschen Raum (Marne, Brunsbüttel, Glückstadt). „Die Frauen kamen aus ganz Dithmarschen und Steinburg“, berichtet Möller, „Sie waren sehr interessiert und wollten natürlich erfahren, wie man sich in einer beängstigenden Situation richtig verhalten soll.“ Nach einer kurzen Vorstellung geht es in den Workshops zunächst um theoretische Fakten und präventives Wissen. Die beiden Experten weisen ausdrücklich darauf hin, dass man Selbstverteidigung nicht in einer Stunde lernen kann, auch nicht in drei oder fünf Stunden. Dafür bräuchte man Jahre. Es geht vielmehr darum, für Gefahrensituationen zu sensibilisieren und selbstsicherer aufzutreten. „Es geht hier darum, dass Risiko zu minimieren,“ so Herzberg, der außerdem erklärt, dass es keinen hundertprozentigen Schutz oder DIE EINE Selbstverteidigungstechnik gibt. Tricks gibt es sowieso nicht!

Selbstverteidgung für Frauen bei TOTAL Bitumen in Brunsbüttel Rainer Keiemburg

21 Damen der Firma TOTAL Bitumen Brunsbüttel nahmen am Selbstverteidigungs-Workshop der Kampfkunst-Experten Boy Möller (ganz rechts) und Timo Herzberg teil. TOTAL Geschäftsführer Rainer Keiemburg (ganz links) begrüßte das Vorhaben und setzte sich für die Sicherheit und das Wohlbefinden seiner Mitarbeiterinnen ein.

 

Eine Armlänge Abstand – der richtige Kontext

„Eine Armlänge Abstand!“ Diese Aussage kommt auch in den Workshop vor. Unsinn? Ja, wenn man diese Aussage auf die Waagschale legt! Nein, wenn diese Aussage im richtigen Kontext gebraucht wird. Dass „eine Armlänge“ einer Frau keinen Schutz vor Angreifern liefert, ist selbsterklärend. Es bedeutet vielmehr, dass die nötige Distanz zu einem potentiellen Täter eingehalten werden muss. „Das ist von Situation zu Situation und von Täter zu Täter unterschiedlich. Rund eineinhalb bis zwei Meter sollte der Intimradius, gerade bei Frauen, sein,“ erklärt Möller. Dies ist der Radius, in dem eine Frau nur die Personen hineinlassen sollte, die sie auch in diesem Kreise wünscht. Dass dieser Radius z.B. auf einer Tanzfläche oder bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht eingehalten werden kann, ist ebenfalls selbsterklärend.

 

Die Waffen einer Frau – die Schwachstellen eines Angreifers

Eine junge Frau verteidigt sich gegen einen Angreifer im Treppenhaus.

Nach den theoretischen Anweisungen werden praktische Szenarien geübt. Die Frauen sollen sensibilisiert werden, bereit zu sein, selbst Gewalt anzuwenden, wenn sie in Gefahr sind, und das, sehr konsequent. „Hier dürft ihr euch nicht zurück nehmen. Das ist viel zu gefährlich! Ihr wisst nie, was der Täter mit euch vor hat. Außerdem hätte er sich das vorher überlegen können“, so der Rat des Kickbox-Weltmeisters Herzberg an die Teilnehmerinnen. Workshopleiter Möller zeigt den Frauen anschließend ihre „Waffen“ und die Schwachstellen eines männlichen Täters. Besonders die Gesichtspartie mit Nase, Augen oder Ohren sowie die Genitalien und Knie seien gute Angriffspunkte, wenn tatsächlich ein körperlicher Übergriff durch einen Täter stattfindet. Wichtig ist die absolute Konsequenz, um sich anschließend sofort aus der Situation zu entziehen und wegzulaufen. Außerdem ist es ratsam, sofort die Polizei zu rufen, sobald man in Sicherheit ist, und den Übergriff zur Anzeige zu bringen.

Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz

Nach kleineren Startschwierigkeiten überwinden sich die meisten Teilnehmerinnen , eine effektive Selbstverteidigungsaktion gegen den potentiellen Angreifer – in den Seminaren durch Möller und Herzberg gespielt – durchzuführen. Am Ende des Events sind sich aber alle Teilnehmerinnen einig: obwohl dies ein sehr ernstes Thema ist, macht es trotzdem Spaß, Selbstverteidigung zu lernen. Und nochmal: den EINEN Trick oder DEN hundertprozentigen Schutz lernen die Damen auch in diesen Workshops nicht. Einen Rat geben die beiden Dithmarschen noch mit auf den Weg: „Macht euch nicht verrückt! Aber seid immer aufmerksam!“

Bei Interesse für einen Selbstverteidigungs-Workshop für Ihr Team oder Ihre Firma nutzen Sie das Kontaktformular und schreiben Sie uns an. Sind Sie interessiert effektive Selbstverteidigung nachhaltig zu erlernen, informieren Sie sich in einer Lemmens Martial Arts Academy in Ihrer Nähe (Albersdorf, Brunsbüttel, Hamburg, Heide, Marne).

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Fünf präventive Selbstverteidigung-Tipps

• Dunkle Orte wie Straßen, Gassen oder Parks meiden. Licht schreckt potentielle Täter ab.
• Am besten in Gruppen, aber mindestens zu zweit, Orte verlassen und gemeinsam nach Hause gehen. Gruppen wirken abschreckend.
• Einen Gegenstand wie z. B. einen Schlüssel oder ein Feuerzeug in der Jackentasche fest in die Hand nehmen. Spitze oder harte Gegenstände verleihen Stärke und etwas mehr Sicherheit.
• Betäubende und enthemmende Suchtmittel wie z. B. Alkohol sollten kontrolliert und am besten zu Hause konsumiert werden.
• Orte und Gruppen meiden und umgehen, die für ein erhöhtes Gewaltpotential bekannt sind.
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Fünf Notizen über Selbstverteidigung

1. Es gibt KEINEN hundertprozentigen Schutz und KEINE Selbstverteidigungs-Tricks!
2. Meiden/Weglaufen ist IMMER besser als sich zu verteidigen. Sich präventiv zu schützen ist die wahre Kunst!
3. Im Notfall ist ABSOLUTE Konsequenz nötig. Frauen sind Männern in den meisten Fällen körperlich unterlegen, deshalb sollten sie die sogenannten "Schwachstellen" angreifen (Augen, Ohren, Nasen, Genitalien, Knie).
4. IMMER die Polizei verständigen, auch wenn eine Situation glimpflig ausgegangen ist. Niemand weiß, ob es bei der nächsten Person ebenfalls glimplig ausgeht. Täter müssen gestoppt werden.
5. Sich NICHT verrückt machen und in allem und überall Gefahren sehen und ängstlich werden - das ist kontraproduktiv. Immer aufmerksam sein und sich in Sachen "Selbstverteidigung" in einer kompetenten Schule unterrichten lassen.
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Bildquelle: AdobeStock; #19845761 by Eisenhans; #39121637 by magann

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